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2 ½ Jahre nach Veröffentlichung des ersten Beitrages zu AXON stellt sich die Frage, ob mittlerweile eine Aussage darüber getroffen werden kann, ob der AXON-Kunde sich gegen eine Herausgabeklage der AXON GmbH gerichtlich zur Wehr setzen kann und im Ergebnis einen Eigentumsverschaffungsanspruch gegen die AXON GmbH hat.

Bis in das Jahr 2018 hinein wurde durch die verschiedenen Kammern des in den AXON-Fällen örtlich zuständigen Landgerichts München I fast durchgehend ein durch die AXON-Kunden behaupteter – da vereinbarter – Eigentumsverschaffungsanspruch als unbegründet zurückgewiesen, mit der Folge, dass in der überwiegenden Anzahl der Fälle das Fahrzeug an die AXON GmbH zurückzugeben war. Für das Landegericht München I war anfangs ausschlaggebend, dass der AXON-Kunde eine entsprechend getroffene Vereinbarung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht in der Lage war – insbesondere schriftlich – nachzuweisen. Bis heute gilt in tatsächlicher und richtiger Hinsicht, dass aus der Vertragsergänzung (1) kein unmittelbarer Eigentumsverschaffungsanspruch gegen die AXON hergeleitet werden kann.

Dass Rechtsprechung nicht statisch zu verstehen ist, sondern auch einer Entwicklung unterliegen kann, lässt sich an den AXON-Fällen beispielhaft ablesen. Wir haben und erleben es heute noch, dass sich in den AXON-Fällen etwas bewegen kann, wenn es dem AXON-Kunden gelingt, abweichend von dem vermeintlichen Schriftformerfordernis darzulegen, dass es Gesprächsinhalte anlässlich der zum Vertragsabschluss führenden Vertragsgespräche gegeben hat, anlässlich derer ein Eigentumsverschaffungsanspruch zwischen dem Kunden und der AXON vereinbart wurde.

So hat das Oberlandesgericht München in seinem Urteil vom 20.10.2020 zur Geschäftsnummer 32 U 90/20 ausgeführt:

… Zwar enthält der schriftliche Leasingvertrag samt Vertragsergänzung keinen Anspruch des Be-lagten auf Übereignung. Jedoch haben die Parteien einen solchen Anspruch mündlich bei Abschluss des Leasingvertrages vereinbart.

Grundsätzlich gelten die schriftlichen Vereinbarungen, wenn die Parteien sich einig sind, einen schriftlichen Vertrag schließen zu wollen. Auch wenn im Rahmen der Vertragsanbahnung andere Konditionen besprochen worden waren, gilt allein der Inhalt der schriftlichen Vereinbarung, wenn diese später abgeschlossen wird. Nur dann, wenn bei Abschluss des schriftlichen Vertrages sich beide Parteien einig sind, dass daneben noch weitere, mündliche Absprachen gelten sollen, ist die Vermutung der Vollständigkeit des schriftlichen Vertrages widerlegt …

Diese Entscheidung haben viele AXON-Kunden als Abkehr der bisherigen Rechtsprechung zu den AXON-Fällen verstanden, was jedoch nur eingeschränkt zutrifft. Sicherlich hat das obergerichtliche Urteil den erstinstanzlich grundsätzlich sachlich und örtlich zuständigen Kammern beim Landgericht München I mehr „Handlungsspielraum“ an die Hand gegeben, um sich eine Überzeugung zu bilden – so jetzt durch die regelmäßig folgende informatorische Anhörung des AXON-Kunden und Zeugenbefragung der vormaligen Vertriebsmitarbeiter der AXON. Zum anderen bleibt es aber dabei, dass der AXON-Kunde weiterhin beweisbelastet für den von ihm behaupteten Eigentumsverschaffungsanspruch bleibt. Regelmäßig erinnern sich die jeweiligen Vertriebsmitarbeiter nicht mehr an die individuellen Gesprächsinhalte; behaupten aber gleichzeitig in jedem Fall keinen Eigentumsverschaffungsanspruch mit dem AXON-Kunden vereinbart zu haben bzw. dies ausschließen zu können. Letztlich ist es eine Frage der Beweiswürdigung und der hierzu aufgestellten Regelungen, ob der AXON-Kunde mit seinem Eigentumsverschaffungsanspruch durchdringt.

Kurioserweise befinden sich gegenwärtig die AXON-Kunden, die neben der Vertragsergänzung (1) auch über eine Vertragsergänzung (2) verfügen in einer schwächeren Situation als die mit „nur“ einer Vertragsergänzung (1) ausgestatteten AXON-Kunden.

Hierzu hat das Oberlandesgericht München in seinem Urteil vom 09.07.2020 zur Geschäftsnummer 32 U 449/20 ausgeführt:

…Eine Optionserklärung unterliegt in der Regel nicht den Formvorschriften der zugrundeliegenden Optionsvereinbarung und kann formlos erfolgen. Zudem haben Auflösungsersuchen und Optionserklärung unterschiedliche rechtliche Wirkungen. Insbesondere ist es bei dem vorliegenden Auflösungsersuchen nach dessen Ausgestaltung erforderlich, dass die Parteien in Verhandlungen über die Beendigung des Leasingvertrages eintreten und hierfür eine gewisse Zeit benötigen, während die Optionsausübung direkt zur Beendigung des Leasingvertrags und zum Abschluss eines Kaufvertrags führt …

Haben hiernach AXON-Kunden, die über einen Vertrag mit einer Vertragsergänzung (2) verfügen bis 23.59h des letzten Tages des in der Vertragsergänzung (2) vereinbarten Ablaufmonats nachweislich formfrei ihre Kaufoption „gezogen“, ist die AXON mit dem Einwand der Nichteinhaltung der Vorlauffrist von 3 Monaten, ausgeschlossen.

Geschwächt sind die Kunden mit Kaufoption hingegen dann, wenn sie erst nach dem in der Vertragsergänzung (2) benannten Ablaufmonat ihre Kaufoption geltend machen respektive den Vertag bis zum Ende durchlaufen lassen. Bis heute müssen sich diese Kunden vor dem Oberlandesgericht anhören, dass sie mit der Ausübung der Kaufoption ausgeschlossen sind und auch keinen Eigentumsverschaffungsanspruch gegen die AXON mit Ende des bis dahin ordnungsgemäß vollgezahlten Vertrages haben.

Dass dies in der rechtlichen Bewertung tatsächlich falsch ist, liegt auf der Hand.

So hat die 29. Kammer des Landgerichts München I in seinem (nicht rechtskräftigen) Urteil vom 29.04.2021 zur Geschäftsnummer 23 O 6471/20 zutreffend ausgeführt:

Mit der Vertragsergänzung (2) vom 01.04.2016 haben sich die Parteien über den Erwerb des Leasinggegenstandes mit Ablauf des 42. Monats zum Preis von 3.245,64 € zuzüglich Mehrwertsteuer durch die Beklagte geeinigt; es handelte sich nicht nur um die Einräumung einer Erwerbsoption für die Beklagte. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Beklagte nicht noch einmal ausdrücklich zum Ablauf des 42. Vertragsmonats (31.10.2019) ausdrücklich ihren Kaufwillen entsprechend der Vertragsergänzung zu (2) geäußert hat. Der Kaufvertragsschluss kam vielmehr bereits mit Übersendung der Vertragsergänzung (2) vom 01.04.2016 an die Beklagte zustande. Dies ergibt die Auslegung der aufeinander folgenden Schreiben der Klägerin vom Leasingvertrag über die Vertrags-Ergänzung (1) vom 31.03.2016 zur Vertragsergänzung (2) vom 01.04.2016. Einer Beweisaufnahme zu den Behauptungen der Beklagten zum Inhalt von telefonischen Gesprächen bedurfte es daher nicht.

Nachdem die Klägerin bereits mit der Vertragsergänzung (1) vom 31.03.2016 der Beklagten die Kaufoption, hier ein Recht zu Verhandlungen mit der Klägerin über die vorzeitige Auflösung des Leasingvertrages zu unterschiedlichen Zeitpunkten während der Laufzeit des Leasingvertrages mit bereits entsprechend fixierten Ablösebeträgen eingeräumt hatte, muss die Übersendung der zeitlich nachfolgenden Vertrags -Ergänzung (2) vom 01.04.2016 zwangsläufig auf eine von der Beklagten an die Klägerin gerichtete Erklärung, den Leasinggegenstand zum Ablauf des 42. Monats den Leasinggegenstand zum dann geltenden Ablösewert von 3.245,64 € erwerben zu wollen, zurückgehen. Ohne diese Anforderung seitens der Beklagten machte diese von der Klägerin zur Verfügung gestellte Vertrags -Ergänzung (2) keinen Sinn. Dem Kauf hat die Klägerin in der Vertragsergänzung (2) zugestimmt…

… Im Übrigen hat die Beklagte hat ihren Willen, die Maschine zum Ablauf des 42. Monats zum vereinbarten Kaufpreis von 3.245,64 € erwerben zu wollen, spätestens mit der Klageerwiderung vom 14.09.2020 unmissverständlich geäußert. Den nach Zahlung der Leasingraten noch zu entrichtenden Kaufpreis von 3.245,64 € zuzüglich Mehrwertsteuer hat die Beklagte ratierlich durch Weiterzahlung der Leasingraten an die Klägerin bezahlt …

Dieses Urteil steht nun zur Überprüfung durch das Oberlandesgericht München. Sollte das Oberlandesgericht nach ggf. durchzuführender Beweisaufnahme zu den Behauptungen der Beklagten zum Inhalt von telefonischen Gesprächen das erstinstanzliche Urteil bestätigen, würde dies eine nachhaltige Stärkung der Rechte der Axon-Kunden bedeuten, die über eine Vertragsergänzung (2) verfügen, die Option jedoch verspätet oder gar nicht ausgeübt haben.

Hieran ist erkennbar, dass Rechtsprechung sich entwickelt und gerade nicht statisch ist.

Wie unterschiedlich die Kammern beim Landgericht München I die AXON-Fälle behandeln, zeigt die auszugsweise Rechtsprechungsübersicht, wobei eine Aufteilung nach Vertragsergänzung (1) = VE 1, Vertragsergänzung (2) = VE 2 sowie Verfahrensstand – soweit bekannt erfolgt. Die Übersicht finden Sie hier.